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 Autor Thema: Die Bauern und die Detektive
Richard Leopold Tomasch
Datum: 26.06.2009 21:21 Antworten Als Email verschicken Kontakt: rileto@proleben.at

Betreff: Die Bauern und die Detektive
 





Die Bauern und die Detektive

Von Roland Lindner
Besuch von den Herren mit Hüten: Troy Roush vor seiner Farm in Van Buren in
Indiana

13. Juni 2009 Der Besuch kam ohne Vorwarnung, und die schwarze Visitenkarte
hätte David Runyon gleich misstrauisch machen müssen. Es war ein Abend im
Juli vor fünf Jahren, als ein dunkler Geländewagen auf dem Grundstück des
Bauern in einem entlegenen Fleck des amerikanischen Bundesstaats Indiana
auftauchte. Zwei Männer mit Anzug und Krawatte stiegen aus und klopften an
die Tür. Junge Typen Anfang bis Mitte dreißig, einer von ihnen ein bulliger
1,90-Meter-Hüne, erinnert sich Runyon.

Dass die Männer Detektive im Auftrag des amerikanischen Agrokonzerns
Monsanto waren, sollte ihm erst später klar werden. Der Große der beiden
stellte Fragen über die Farm, und Runyon dachte erst, das müssen wohl
Marktforscher sein, die eine Umfrage machen. Als der Mann dann aber Belege
über Runyons Geschäfte sehen wollte, dämmerte dem Bauern, dass sich da etwas
zusammenbraut. Er verweigerte jede Auskunft und schickte die Männer weg.
Aber er ahnte schon, dass er fortan keine Ruhe mehr haben würde.

Männer mit Hüten
David Runyon vermutet, dass ihn ein Nachbar denunzierte

Die Visitenkarte der Besucher hat Runyon aufgehoben: Darauf sind vor einem
tiefschwarzen Hintergrund graue Silhouetten von Männern mit Hüten zu sehen,
am unteren Rand steht der Firmenname "McDowell & Associates" - die
Stammdetektei von Monsanto.

An diesem Juli-Abend begann für Bauer Runyon der Kampf mit Monsanto. Der
Konzern verdächtigte den Farmer, patentrechtlich geschütztes Saatgut illegal
einzusetzen. Der 52 Jahre alte Runyon ist mit seiner Geschichte nicht
allein. Immer wieder geraten amerikanische Bauern ins Visier von Monsanto,
wenn das Unternehmen Verletzungen seiner Patente vermutet. Manche dieser
Geschichten hören sich an wie Krimis, die Detektive von Mc-Dowell und andere
Monsanto-Helfer haben in der Branche den Spitznamen "Seed Police" -
"Saatgutpolizei". Das hat Monsanto ein miserables Image eingetragen: das
Bild des hässlichen Großkonzerns, der seinen eigenen Kunden den Krieg
erklärt.



Gericht bestätigt Genmais-Verbot
Monsanto klagt gegen deutsches Genmais-Verbot
Grüne Gentechnik: Im Maisfeld ist der Teufel los
Der Mais und die Nahrungskette
Kampf gegen grüne Gentechnik: Weiß-blaue Entfremdung
Monsanto ist Kritik gewöhnt, schon deshalb, weil es den Markt für
gentechnisch verändertes Saatgut weltweit dominiert. Debatten über "grüne
Gentechnik" sind deshalb auch Debatten über Monsanto. Als
Bundeslandwirtschaftsministerin Aigner (CSU) im April den Anbau der
genmodifizierten Maissorte "Mon 810" von Monsanto verbot, wurden Marienkäfer
und andere Tierchen ins Feld geführt, um das Verbot zu erklären. Das Verbot
solle keine Grundsatzentscheidung sein, hieß es. Eine Grundsatzdiskussion
gab es trotzdem. Kritiker werfen der Ministerin Innovationsfeindlichkeit
vor. Doch es könnte auch sein, dass es gar nicht um Mon 810 ging, sondern um
Monsanto.

Monsanto verändert nicht nur die Gene des Saatguts. Es verändert das Erbgut
der Landwirtschaft. Die Bauern fühlen sich von Knebelverträgen unterdrückt,
mit denen Monsanto die Einhaltung von Patenten auf sein Saatgut
sicherstellen will. Sie werfen dem Unternehmen vor, eherne Traditionen
auszuhebeln, weil ihnen in den Verträgen verboten wird, geerntetes Saatgut
für die nächste Saison aufzubewahren, so wie dies seit Urzeiten in der
Landwirtschaft üblich ist. Und sie klagen darüber, dass der Agrokonzern zu
ruppigen Methoden greift, um vermeintliche Verletzungen seiner Patentrechte
zu verfolgen - wie im Fall von Bauer Runyon.

Klage von Monsanto

Troy Roush war einer der ersten Bauern, der Monsantos Jagd auf Patentsünder
zu spüren bekam. Der 41 Jahre alte Roush passt perfekt in das Bild des
Riesenfarmers im ländlichen amerikanischen Nirgendwo: Seine Farm in der
Gemeinde Van Buren in Indiana hat eine Fläche von 2200 Hektar. "Ich könnte
Sie an einem Tag gar nicht abfahren." Roush baut vor allem Mais und Soja an.
Seine Farm, die er zusammen mit seinem Bruder und seinem Vater
bewirtschaftet, bringt einen Jahresumsatz von 3,5 Millionen Dollar ein, auch
für amerikanische Verhältnisse ein stattlicher Betrag. Im Schnitt bleiben
der Familie 10 Prozent vom Umsatz als Nettogewinn, also 350.000 Dollar.

Besuch von Monsanto bekam er an einem Tag im September 1999. Auch bei Roush
standen zwei Männer vor der Tür. "Die haben mir Dienstmarken vor die Nase
gehalten, als seien sie Polizisten", erzählt er. Die Männer hätten ihn
gefragt, ob er Saatgut aufbewahre, also gegen seinen Vertrag mit Monsanto
verstößt. Er verneinte, und die Männer gingen wieder, aber der Bauer sollte
bald merken, dass es damit nicht getan war. Einige Monate später kam ihm zu
Ohren, dass ein Monsanto-Vertriebsmann in der Gemeinde erzählte, die
Roush-Familie werde bald ihre Farm verlieren. Und im Frühjahr 2000 flatterte
Roush eine Klage von Monsanto ins Haus. Der Konzern warf Roush Vertragsbruch
vor, weil er unerlaubt Saatgut aufbewahre. Roush weist die Anschuldigungen
bis heute zurück.

Zermürbender Rechtsstreit

Mit der Klage begann eine zwei Jahre währende juristische
Auseinandersetzung, die Roush mehr als 400.000 Dollar an Anwaltshonoraren
kostete. "Das ist genau deren Strategie. Die wollen dich in Anwaltsgebühren
begraben, bis Du aufgibst." Roush war lange entschlossen, den Rechtsstreit
auszufechten. Irgendwann reichte er sogar selbst eine Klage gegen Monsanto
wegen Verleumdung ein, aber im Jahr 2002 streckte er die Waffen und schloss
einen Vergleich.

Über die finanziellen Konditionen des Vergleichs haben beide Seiten damals
Vertraulichkeit vereinbart, und Roush gibt auch heute keine Details preis.
Seiner Wut über Monsanto lässt er aber freien Lauf: "Monsanto schuldet mir
eine öffentliche Entschuldigung. Wir haben nichts Falsches getan, und die
konnten uns nie etwas beweisen." Er sagt, der Konflikt mit Monsanto habe ihn
schwer mitgenommen: "Ich habe in der Zeit Medikamente gegen Angstzustände
geschluckt."

Spuren von Genpflanzen

Auch bei David Runyon hat der Streit mit Monsanto einen Tribut gefordert,
wie seine Frau Dawn erzählt. "Er hatte keinen Appetit mehr und hat zwanzig
Pfund verloren. Er war so fahrig, dass ich Angst hatte, ihm passiert ein
Unfall mit irgendeiner Maschine auf dem Hof." Dabei ging die
Auseinandersetzung bei Runyon um einiges glimpflicher ab als bei Roush. Im
Gegensatz zu Roush war Runyon gar kein Monsanto-Kunde und hat entsprechend
keinen Vertrag unterschrieben, er baut auf seiner 400 Hektar großen Farm
fast nur konventionelle Pflanzen ohne Gentechnik an. Trotzdem verdächtigte
ihn Monsanto, unerlaubt Gensaatgut zu verwenden. Tatsächlich sollten sich
auf seinen Feldern Spuren von Genpflanzen finden, die er sich aber nach
eigener Aussage von Nachbaräckern hereingeholt hat.

Vier Monate nach dem Besuch der Detektive wurde Runyon noch einmal
aufgefordert, Belege von seinem Hof herauszugeben, diesmal in einem
Schreiben von Anwälten des Konzerns. Runyon weigerte sich wieder. Im Februar
2005 verlangten die Anwälte Zutritt zu den Feldern von Runyon, um Proben
entnehmen zu können. Dabei beriefen sie sich auf eine Vereinbarung zwischen
Monsanto und dem Landwirtschaftsministerium von Indiana.

Patentverletzungen verfolgen

Ein solches Ministerium gab es zu diesem Zeitpunkt gar nicht. "Das haben die
völlig aus der Luft gegriffen", empört sich Runyon. Über seinen Anwalt ließ
er Monsanto ausrichten, er wolle diese Vereinbarung gerne sehen. Damit war
der Spuk vorbei: "Die sind einfach verschwunden. Keine Entschuldigung, kein
gar nichts." Lange noch lebte er in der Ungewissheit, der Konzern könnte
wiederkommen. Ein Monsanto-Sprecher nennt den Hinweis auf das Ministerium
heute "ein schlichtes und bedauerliches Versehen der Kanzlei, die Monsanto
mit dem Vorgang beauftragt hatte".

Warum hat Bauer Runyon Monsanto nicht verklagt? "Mein Anwalt hat gesagt, das
ist hinausgeworfenes Geld. Es würde zu teuer werden, gegen die Maschinerie
von Monsanto anzukämpfen." Trotzdem ist er auf Rache aus. Runyon ist zu
einem der Wortführer des Widerstands gegen Monsanto in Amerika geworden.
"Sie glauben ja nicht, wie viele Bauern in Panik bei mir anrufen."

Der Konzern bestreitet gar nicht, Bauern mit juristischen Mitteln zu
verfolgen. "Monsanto verklagt Bauern nicht gerne. Aber wir meinen, wir
müssen dies tun, um das Interesse unserer Kunden und unserer Aktionäre zu
wahren", verteidigt sich das Unternehmen auf seiner Internetseite. Dort wird
auch darauf hingewiesen, dass Monsanto 2,6 Millionen Dollar am Tag
investiert, um mit dem Einsatz von Gentechnik neue Produkte zu entwickeln,
die einen Nutzen für Landwirte stiften, also zum Beispiel Saatgut, das
resistent ist gegen Insektenbefall oder gegen Unkrautvernichtungsmittel.
Patente seien der Lohn für diese Arbeit, und es sei notwendig,
Patentverletzungen zu verfolgen.

Angst um die Existenz

Monsanto gibt auch zu, Detektive anzuheuern und Videokameras einzusetzen, um
Felder von Landwirten zu überwachen und unerlaubten Einsatz von Saatgut zu
dokumentieren. Aber gleichzeitig beteuert Monsanto auch, dass die Detektive
kein Grundstück unbefugt betreten und ihrer Arbeit mit Höflichkeit
nachgehen. Ein Sprecher sagt außerdem, es werde "maßlos überschätzt", in
welchem Umfang Monsanto Patentrechtsverletzungen ahnde. Seit der Einführung
gentechnisch veränderter Pflanzen vor zwölf Jahren habe Monsanto 129 Klagen
gegen Landwirte angestrengt. Nur in neun dieser Fälle sei es zu
Gerichtsprozessen gekommen, und Monsanto habe sie alle gewonnen. Ansonsten
würden die meisten Fälle vermuteter Verstöße direkt mit einem Vergleich
beigelegt, ohne dass es zu einer Klage kommt.

Die Verbraucherschutzorganisation "Center for Food Safety" in Washington,
die sich für Lebensmittelsicherheit einsetzt, hält das für Augenwischerei.
Bill Freese, einer ihrer Referenten, sagt, dass viele unschuldige Bauern
sich auf einen Vergleich mit Monsanto einlassen, weil sie fürchten, sie
können einen Rechtsstreit gegen den Großkonzern weder bezahlen noch
gewinnen. Freese meint außerdem, das von Monsanto verbreitete Bild der
höflichen Ermittler sei eine Erfindung. "Die Bauern werden regelrecht
eingeschüchtert und haben Angst um ihre Existenz."

Das Geschäft umstellen

Runyon und Roush werfen Monsanto vor, mit seinen Methoden das Verhältnis der
Bauern untereinander zu vergiften. Monsanto ermutigt Bauern, Patentverstöße
anderer Bauern zu melden. Dazu hat das Unternehmen eine kostenlose und
anonyme Telefon-Hotline eingerichtet. Monsanto sagt, damit solle Bauern eine
Anlaufstelle gegeben werden, die es als ungerecht empfinden, wenn
Wettbewerber sich nicht an die Spielregeln halten. Nach Meinung von Runyon
und Roush führt es aber vor allem dazu, dass kein Bauer dem anderen über den
Weg traut.

Runyon sagt: "Ich weiß ganz genau, welcher Nachbar mich angeschwärzt hat.
Mittlerweile habe ich mir angewöhnt, mit meinen Nachbarn nicht mehr allzu
viel zu sprechen. Ich will am liebsten gar nichts über die Betriebe der
anderen Bauern hier wissen." Freilich tut sich ein Unruhestifter auf dem
Land auch leicht, wie Roush zugibt: "Für Bauern ist der größte Wettbewerber
schon immer der Nachbar gewesen. Wenn der eine Bauer untergeht, ist das für
den anderen vielleicht die Chance zu expandieren."

Trotz aller Klagen über die Geschäftsmethoden kaufen amerikanische Bauern
weiter in großer Zahl freiwillig das Gensaatgut des Konzerns. Roush erklärt
sich das so: "Viele Bauern sind bequem. Und es ist eben eine wahnsinnig
arbeitssparende Lösung, Pflanzen anzubauen, die gegen
Unkrautvernichtungsmittel resistent sind." Gerade die Großfarmer mit ihren
riesigen Mais- und Sojafeldern sehen keine andere Möglichkeit, als die
praktischen Genpflanzen anzubauen. Das gilt auch für Roush, auch wenn er es
bedauert: "Mir wäre es am liebsten, meine Farm wäre nie so groß geworden,
wie sie heute ist." Er versucht aber, sein Geschäft umzustellen. In diesem
Jahr verwendet er für zwei Drittel seiner Sojaernte konventionelles Saatgut.
Für einen Bauern mit seiner Anbaufläche ist das gar nicht so einfach, denn
die amerikanische Landwirtschaft ist so stark auf Genpflanzen ausgerichtet,
dass andere Ware schwer zu finden ist: "Ich habe wirklich das gesamte
verfügbare konventionelle Soja hier in der G!
egend aufgekauft."

"Lasst Monsanto am besten gar nicht erst nach Deutschland!"

David Runyon hat die Kontroverse über den Monsanto-Genmais in Deutschland
von Indiana aus mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. "Lasst Monsanto am
besten gar nicht erst nach Deutschland! Man kann bei uns sehen, dass die nur
Schwierigkeiten machen." Nach seiner Meinung sollten die Deutschen nicht nur
wegen der Geschäftspraktiken von Monsanto misstrauisch sein, sondern sich
fragen, ob sie überhaupt Gentechnik wollen: "Wo ist die Notwendigkeit, an
eurer Landwirtschaft etwas zu ändern?"

Runyon will mit Monsanto nie wieder etwas zu tun haben - und offenbar ist es
umgekehrt genauso. Er steht nämlich auf einer "Blacklist" von Bauern aus
ganz Amerika, die Monsanto vom Kauf seiner Produkte ausgeschlossen hat -
"als ob ich ihre Saat überhaupt wollte", sagt er bissig. Die sechsseitige
Liste zeigt Runyon gerne her, "da ist er sogar ziemlich stolz drauf", sagt
seine Frau Dawn. Für etwaige künftige Besuche von Detektiven hat er sich
eine Abschreckungsstrategie ausgedacht. Am Eingang seines Grundstücks hat er
zwei Schilder befestigt, die alles andere als einladend sind. "Unbefugter
Zutritt verboten" steht auf dem einen, "Zutritt nur nach Anmeldung" auf dem
anderen.
 
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