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 Autor Thema: Folgen in Argentinien!
Richard Leopold Tomasch
Datum: 09.01.2010 16:37 Antworten Als Email verschicken Kontakt: rileto@proleben.at

Betreff: Folgen in Argentinien!
 

Dreizehn Jahre Soja in Argentinien: die unausweichlichen Folgen eines Modells von Völkermord und ökologischem Mord

Die umfangreiche, in Argentinien erworbene Erfahrung nach dreizehn Jahren Anbau gentechnisch veränderter und gegen das Herbizid Glyphosat resistenter Sojakulturen, geben dem Rest der Welt die Möglichkeit eine Lektion zu lernen, um nicht die gleichen Fehler zu begehen, noch die gleichen Belastungen zu erlauben die es möglich machten, dass sich Argentinien innerhalb kaum eines Jahrzehnts in eine „Soja-Republik“ verwandelte.
Im Jahre 1996 erlaubte man in Argentinien auf eine absolut hinterlistige und undemokratische Weise die Einführung von gentechnisch verändertem Monsanto-Soja auf den dortigen Feldern. Ohne unabhängige Studien über die Auswirkungen auf die Umwelt, ohne jegliche öffentliche Beratung, ohne parlamentarische Diskussion, noch einer entsprechenden Gesetzgebung die dies kontrolliert hätte, geschah dies. Eine einfache Anordnung des Landwirtschaftsministeriums führte 1991 zur Gründung der Nationalen Beratungskommission für landwirtschaftliche Biotechnologie (Comisión Asesora de Biotecnologia Agropecuaria, Conabia), die seither mit breiter Beteiligung der einschlägigen Unternehmen das Ministerium bei der Zulassung gentechnisch veränderter Organismen „beriet“.
Jetzt erleben wir in Argentinien den Ernstfall eines neuen sozio- ökologischen Problems auf Grund des territorialen Raubzugs, hinter dem die Einführung gentechnisch veränderter Soja Monokulturen aus der Hand von Monsanto, einer Handvoll von Großgrundbesitzern und Saatgut-Unternehmen stehen.
Die Auswirkungen der Giftberegnung, der Waldrodung, die Vertreibung von Kleinbauern, Überschwemmungen und Dürren, sowie neuartige Krankheiten sind Bestandteil der täglichen Nachrichten. Aber nur in einigen alternativen Medien werden diese Meldungen in Zusammenhang mit der „Sojasierung“ des Landes gebracht.
Die überwiegende Berichterstattung entspringt einer zusammenhanglosen Betrachtungsweise der Probleme, mit der man die tieferen Ursachen selbst verschleiert, um sie zu analysieren und auf zu zeigen, manchmal in sensationalistischer Weise, aber immer isoliert und nahezu als „Naturphänomene“ dargestellt.
Deshalb muss das Erste und Grundsätzliche die Wiedererlangung einer gesamtheitlichen Betrachtungsweise auf die Problematik sein. Alleine die Betrachtung und Analyse des Ganzen und die Komplexität der Situation können zu einigen brauchbaren Schlussfolgerungen führen, die uns vorwärts in irgendeine Richtung und aus dem zerstörerischen Kreis führt, in den uns das Agrargeschäft des gentechnisch veränderten Soja gebracht hat.
Nach dreizehn Jahren der Ausbreitung gentechnisch veränderter Soja-Kulturen in Argentinien, sind die sozio- ökologischen Folgen eine wahre Katastrophe. Wir stellen an Hand konkreter Daten die von der Tragödie des Sojaanbaus im Cono-Sur (= Süd-Kegel, südlichster Teil Südamerikas)künden, eine kurze Kritik vor.
In Argentinien wird man in der kommenden Saison 18 Millionen Hektar gentechnisch verändertes Soja mittels direkter Aussaattechnik 1) anbauen.
Diese Fläche stellt mehr als 50% der landwirtschaftlichen Fläche des Landes dar.
1) Direkte Aussaat bedeutet, dass bei der Neuaussaat die Pflanzenreste der vorherigen Kultur auf der Anbaufläche verbleiben und Bodenbearbeitung nur für die Anlage der Aussaatfurchen vorgenommen wird.
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Praktisch sind 100% des Soja der nächsten Anbauperiode gentechnisch verändertes und gegen Glyphosat resistentes Soja (SOJA RR).
Das SOJA RR ist Eigentum von Monsanto, dem größten Saatgutunternehmen der Welt und auch Urheber von Glyphosat, dem Herbizid, dass man bei der Aussaat von SOJA RR anwenden muss. Monsanto kontrolliert 90% des weltweit gehandelten gentechnisch veränderten Saatgutes.
Monsanto erklärte, dass seine Unternehmensgewinne im Jahre 2007 um 44% im Vergleich zum Vorjahr zunahmen und 2008 im Vergleich zum Jahre 2007 um 120%.
In diesem Jahr wird man auf den gesamten in Argentinien angebauten Soja-Kulturen mehr als 200 Millionen Liter Glyphosat anwenden, während man im Jahre 1996 noch 13,9 Millionen Liter Glyphosat einsetzte.
Dieses Handelsprodukt, dessen Wirkstoff Glyphosat (Handelsname Roundup) ist, enthält außerdem eine Reihe von Hilfsstoffen, die seine Giftigkeit beträchtlich erhöhen. Im Wesentlichen handelt es sich um das oberflächenwirksame Gift mit der Kurzformel POEA ( Polyoxyethylen- Alkylamin), dessen Giftigkeit 3- bis 5-fach höher ist als die von Glyphosat.
Natürlich hat dieser intensive Einsatz von Glyphosat das Auftauchen vieler gegen Glyphosat resistenter Unkräuter verursacht. Einige der schon nachgewiesenen sind: Hybanthus parviflorus (span.: Violetilla), Parietaria debilis (span.: Yerba Fresca), Viola arvensis (span.: Violeta Sivestre), Petunia axillaris (span.: Petunia), Verbena litoralis (span.: Verbena), Commelina erecta (span.: Flor der Santa Lucia), Convulvulus arvensis (spanb.: Correhuela), Ipomoea purpurea (span.: Bejuco), Iresine difusa (span.: Iresine) und gerade erst Sorghum halepense (span.: Sorgo de Alepo), ein sehr schwer unter Kontrolle zu haltendes Unkraut, was großen Alarm ausgelöst hat.
Nach mehr als einem Jahrzehnt des Leugnens über das Auftauchen resistenter Unkräuter gab Monsanto diese Tatsache durch seine Vizepräsidentin endlich zu und schlug als Lösung vor, das gesamte gegen Glyphosat resistente Soja durch ein neues, gegen ein anderes Herbizid resistentes Soja zu ersetzen. Dieses neue Herbizid mit dem Namen Dicamba 2) ist in der Tat noch giftiger als Glyphosat.
Außerdem werden noch andere Herbizide und Agrar-Chemikalien eingesetzt, um Unkraut und Schädlinge in den Soja-Monokulturen unter Kontrolle zu halten. Schon die Technik der Direktaussaat von Soja erfordert bereits vor der eigentlichen Aussaat die Anwendung von Herbiziden. Dabei handelt es sich um 20 bis 25 Millionen Liter von 2-4-D, weitere sechs Millionen Liter Atrazin und etwa sechs Millionen Liter Endosulfan.
Dieser Regen von Agrargiften hat ungeheure Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung, auf Haustiere, den Anbau von Nahrungsmitteln und verunreinigt Böden, Wasserläufe und die Luft im gesamten Bereich der Anbauflächen für Soja. Hunderte, von unterschiedlichen Organisationen und Wissenschaftlern zusammengetragene angezeigte Fälle dokumentieren sehr genau die Auswirkungen der Agrargifte in den betroffenen Gemeinden und deren landwirtschaftlicher Produktion.
Die öffentliche Verbreitung dieser Anzeigen hat dazu geführt, dass erst jüngst der Verband der argentinischen Umwelt- Anwälte den Obersten Gerichtshof des Landes ersucht hat, die Besprühung mit Glyphosat zu verbieten.
Die ungebremste Zunahme des Sojaanbaus hat sich fortgesetzt, obwohl nach einer neuesten Untersuchung der Universität Kansas das gentechnisch veränderte Soja RR zwischen 6 und 10% weniger Ertrag als konventionelles Soja erbringt.
Die Monokultur Soja verursacht, sich Jahr für Jahr wiederholend, eine intensive Degradation der Böden mit einem Verlust von Ackerboden, der abhängig von der Art der Bearbeitung, Flächenneigung und Klima, zwischen 19 und 30 Tonnen liegt.
Jede Sojaernte entzieht Jahr für Jahr unseren Böden Nährstoffe, die faktisch mitexportiert werden. Nur als ein Beispiel können wir anführen, dass jedes Jahr mit dem Soja eine Million Tonnen Stickstoff und 160 Millionen Tonnen Phosphor verloren gehen.
2) Dicamba = 3,6-Dichlor-2-methoxybenzoesäure, Handelsnamen: Banvel, Banex, Dianat, Velsicol u.a.
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Auch gehen mit jeder Sojaernte die exportiert wird etwa 42,5 Milliarden Kubikmeter Wasser jährlich verloren ( Ziffer der Erntesaison 2004/2005), die entsprechende Zahl für die Feuchtsteppe beläuft sich auf 28,19 Milliarden Kubikmeter.
Jedes Jahr fallen in Argentinien 200.000 Hektar Wald der Ausdehnung der landwirtschaftlichen Anbauflächen zum Opfer, in erster Linie den wachsenden Soja Monokulturen.
Zieht man in Betracht, dass für jeweils 500 Hektar Soja nur ein Landarbeiter benötigt wird, so wird die Vertreibung von Landarbeitern und Bauern aus den Sojaanbaugebieten erklärbar.
Das Modell des Sojaanbaus ist von einer enormen Konzentration von Grund und Boden in den Händen Weniger begleitet, sei es durch den Erwerb von Land durch die großen Produzenten oder die Anpachtung durch Erzeugergesellschaften, die sich auf finanzstarke Investoren stützen (Pooles de Siembra). Als Folge dieser Entwicklung gingen in den letzten 10 Jahren 20% landwirtschaftliche Produktionseinrichtungen verloren.
Eine nahe liegende Folge dieser Konzentration ist die dramatisch zurückgegangene Erzeugung von Grundnahrungsmitteln für unser Bevölkerung. Um nur ein Beispiel zu nennen: die Zahl der Milcherzeuger verringerte sich zwischen 1988 und 2003 um 50%, von 30.000 auf 15.000 Betriebe.
Im Falle von Baumwolle verringerte sich als Folge der Ausbreitung des Sojaanbaus in der Provinz Chaco die Produktion um 40%, in der Provinz Formosa um 78%.
Tausende von Bauern wurden gewaltsam von ihrem Land vertrieben und kriminalisiert, wenn sie sich der Vertreibung und der Ausbreitung des Sojaanbau widersetzten. Die Bauernorganisationen der Bewegung der Bauern von Santiago del Estero- Bäuerlicher Weg (Movimiento de Campesino de Santiago del Estero-Via Campesina, MOCASE-VC) und der Nationalen Bewegung indigener Bauern klagen ständig die Verfolgung der Bauern dieser Bewegungen wegen deren Widerstandes gegen die gewaltsame Vertreibung von ihrem Land, um dort Sojaanbau einzuführen, an.
Letztendlich muss man sich immer vor Augen halten, dass die Einführung gentechnisch veränderten Sojas in Argentinien der von Monsanto gewählte Mechanismus war, den Cono Sur mit gentechnisch veränderten Saaten zu überschwemmen, von wo aus auf illegale Weise gentechnisch verändertes Soja nach Brasilien, Paraguay und Bolivien verkauft wurde (Länder in denen der Anbau gentechnisch veränderter Kulturen verboten war), diese Länder damit überschwemmten, und so wie das Syngenta 3) kurze Zeit später publizierte, die „Vereinigte Soja-Republik“ errichte wurde.
Wer regiert die „Vereinigte Soja-Republik“?
Die lauen Versuche der zerbrechlichen lateinamerikanischen Demokratien der herrschenden von zwei Jahrzehnten der Globalisierung und wirtschaftlichen Neo-Liberalisierung geschaffenen Ökonomie irgendeine Grenze zu setzen, haben in den letzten Monaten einen wirksamen Schlag durch das perverse Bündnis zwischen den Großgrundbesitzern und den Unternehmen des Agrargeschäftes, die in allen Ländern des Cono Sur in brutaler Weise agieren, erhalten.
An dieser Stelle soll kein Urteil über die demokratischen Regierungen der Region gefällt werden, noch eine Bewertung ihrer Fähigkeit die Realität und ihre Verpflichtung den lateinamerikanischen Völkern gegenüber zu verändern, vorgenommen werden. Dies überlassen wir den Völkern, die von ihren eigenen Entwicklungen her antworten und Räume schaffen werden, um zu reagieren und neue Wirklichkeiten aufzubauen.
Trotzdem glauben wir, dass es nicht möglich ist, bestimmte Vorkommnisse zu übergehen, von denen einige bekanntermaßen öffentlich sind und andere kaum die Kolumnen der Medien besetzen. Scheinbar ohne Zusammenhang zueinander, haben sie doch eine gemeinsame Wurzel, die darin besteht, die Völker zu unterwerfen, ihre Landwirtschaft zu kontrollieren und sich ihrer Ernährung zu bemächtigen und dabei ihre Territorien zu zerstören.
Ein roter Faden durchzieht alle diese Nachrichten und verstärkt wie eine aufklärende Metapher die Absichten des industriellen Agrargeschäftes: das gentechnisch veränderte Soja und sein Eindringen in das Gebiet des Cono Sur möchte diesen in der Tat zur „Vereinigten Soja-Republik“ machen.
3) Syngenta ist neben Monsanto einer der weltweit größten Agrarkonzerne, der im Jahre 2000 aus der Verschmelzung der Agrarsparten der Firmen Novartis und AstraZeneca hervorgegangen ist. Sitz des Unternehmens ist Basel.
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So wies der Streik der Soja- Großgrundbesitzer, der 2008 in Argentinien stattfand, die Richtung, die sich dann in Bolivien in eine hasserfüllte, wilde Aggression, die menschliches Leben verachtete, und in einen gegen die indigenen Bevölkerung gerichteten Rassismus verwandelte.
Dort tritt als einer der wesentliche Anführer im Gebiet des „Media Luna“ 4) der Präsident des Bürgerkomitees pro Santa Cruz, Branco Marinkovic, auf, der „zufälligerweise“ einer der großen Sojaerzeuger der Region ist.
In den Tagen des vollen demokratischen Wandels, den das paraguayische Volk mit Hoffnung erfüllte, sah sich das Land auch auf brutale Weise durch die Repressionen gegen Bauern, die dem Campesino Bienvenido Melgarejo den Tod brachten; erschüttert. Währenddessen kündigten die Großgrundbesitzer an, zu den Waffen greifen zu wollen, um ihre Ländereien zu verteidigen.
In Uruguay und inmitten des sanften regierungsseitigen Druckes zur Einführung von Begrenzungen bezüglich der Ausweitung der Anbauflächen von Soja durch die Schaffung eines Planes zur Agrarproduktion, erhoben auch die großen Sojaproduzenten ihre Stimme und verbreiteten in den großen Medien Drohungen.
Uruguay hob das Moratorium für die Genehmigung neuen gentechnisch veränderten Saatgutes auf, und stieß so das Tor für den Zugang der „neuen“ gentechnisch veränderten Produkte von Monsanto auf. Es ist kein Zufall, dass gentechnisch verändertes Soja in vielen Nachrichten Erwähnung findet: dies ist ganz einfach ein Instrument korporativer Kontrolle der Landwirtschaft und des Territoriums, das aus den Händen der Agrarunternehmen und seiner Besitzer und den transnationalen Firmen stammt.
Es ist selbstverständlich, dass jedem dieser Akteure unterschiedliche Handlungsmuster zu Eigen sind: die transnationalen Unternehmen treten sehr lautlos bei der Abwicklung ihrer Geschäfte auf, während sie gleichzeitig enorme Summen für Werbung in den Massenmedien auf die Weise investieren, dass diese immer zu ihren Gunsten berichten und dass diese niemals öffentliche Infragestellungen bekannt machen. Die Unternehmen sind auch diejenigen, die Unterstützung seitens der USA in den Fällen erhalten, in denen sie eine direkte politische Intervention oder eine verdeckte Einflussnahme benötigen.
Die großen Sojaproduzenten hingegen sind dann jene, die mit unterschiedlicher Brutalität die Drecksarbeit machen. Aber immer zeigen sie auf brutale Weise ihre Missachtung gegenüber dem Leben und der menschlichen Würde um sich dem einzigen Gott den sie kennen hinzugeben: dem Götzen Geld.
Und sie sind es, die Strassen sperren können, Städte unversorgt lassen können, Kleinbauern ermorden
und ein Land spalten können.
Die „Vereinigte Soja-Republik“ besteht mit ihren hohen Mauern fort, mit ihrem Reich der Spekulation und dem Tod an der Macht. Es kann sein, dass nach dem Fall der Mauer des globalen Kapitalismus auch die Mauern dieser Republik einzustürzen beginnen. Die Völker sind bereit, die Verantwortung für ihr Leben und ihre Ernährung selbst zu übernehmen.
4) Als „Media Luna“ (=Halbmond) werden wegen ihres geografischen Umrisses die vier Departamente Beni, Pando, Santa Cruz und Tarijo, die das östliche Tiefland Boliviens bilden, bezeichnet.
Der vorstehend Artikel wurde von ARGENPRESS.info von der NRO Grain übernommen. Die NRO Grain ist eine kleine Nichtregierungsorganisation, die seit 1980 tätig ist und ihren Hauptsitz in Barcelona hat. Grain arbeitet in Afrika, Asien und Lateinamerika in der Unterstützung und Beratung von Kleinbauern und sozialen Bewegungen und engagiert sich für die öffentliche Kontrolle der biologischen Vielfalt und der Nahrungsmittelproduktion. Umfassende Informationen und Publikationen unter www.grain.org
Übersetzung: Herbert Löhr
Lateinamerika-Komitee Ulm
 
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