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 Autor Thema: Percy Schmeiser in Österreich!
Tomasch
Datum: 01.03.2008 14:06 Antworten Als Email verschicken Kontakt: rileto@proleben.at

Betreff: Percy Schmeiser in Österreich!
 

Percy Schmeiser in Austria
25.2.2008
Eine Ansichtssache von Dr. Gernot Neuwirth

Percy Schmeiser on tour in Oberösterreich. Gar nicht elitär ging es bei dieser Veranstaltung zu: 800 Zuhörer, meist aus dem Landwirtschaftsbereich, füllten die Kürnberg-Halle in Leonding (OÖ), um Percy Schmeiser zu hören. Ihm hat Monsanto, wie großen Teilen der kanadischen Bauernschaft, die traditionelle Lebensgrundlage zerstört, aber seinem Leben damit auch neuen Sinn gegeben: Mit seiner Frau Loise kämpft der 77 Jahre alte Rapsbauer und Samenzüchter seither gegen die Übernahme der Welt durch die Gentechnikkonzerne. Letztes Jahr erhielten die beiden den Alternativ-Nobelpreis.

Vorerst ein paar Worte zu Monsanto, einem amerikanischen Konzern, der nicht nur von linken Gesellschaftskritikern als die “Verkörperung des Bösen” in der Wirtschaft angesehen wird. Der bekannteste Skandal ergab sich, als die Firma durch gefälschte Gutachten „nachwies“, dass die schweren Gesundheitsschäden, die ihre ArbeiterInnen nach einer Explosion in einem Monsanto-Werk davongetragen hatten, nicht von den freigesetzten Dioxinen stammen konnten. Den Mythos von der Harmlosigkeit der Dioxine – die auch als Nebenprodukte im berüchtigten Agent Orange im Vietnamkrieg eine todbringende Rolle spielten - hielten die Fälscher mehrere Jahrzehnte lang aufrecht, bis sie erst in den 80er-Jahren vor Gericht zum Widerruf gezwungen wurden.

In den Neunzigerjahren kaufte Monsanto einen Großteil der existierenden Saatgutfirmen auf, entwickelte eine Reihe von genetisch manipulierten Raps-, Mais-, Soja-, und Baumwollsamen und beauftragte eine teure Consulting-Firma, einen Plan auszuarbeiten, wie innerhalb von 5 Jahren 95% der weltweiten Samenproduktion durch Gentechnik-Produkte verdrängt und die Bauern zur Aufgabe ihres eigenen Saatgutes gezwungen werden könnten.

In der Praxis ging es dann doch etwas langsamer: Widerstand in Teilen Europas, Afrikas und Asiens verzögert die Verwirklichung bis heute, und manipulierter Weizen wurde überhaupt weltweit abgelehnt. Auch Monsantos zweiter Anschlag auf unsere Lebensgrundlagen, auf das, was die Ökonomen früher „freie Güter“ nannten, schlug fehl: Der Konzern bemühte sich vergeblich um Konzessionen für die Trinkwasserversorgung in Indien und Mexiko. Irgendwie erinnerte das Ganze an einen zweitklassigen Hollywood-Film, nämlich „Total Recall“. Darin beherrscht ein Konzern die Atemluftaufbereitung einer Kolonie am Mars und kann daher die dortigen Arbeiter wie Sklaven halten. Sie werden schließlich gerettet – von einem Österreicher (Arnold Sch.).

In Kanada und in den USA gelang jedenfalls die Überschwemmung der Landwirtschaft zumindest mit Genraps und -soja mit Hilfe willfähriger Politiker, die Haftungs- und Kennzeichnungsregeln verhinderten und perverse Patentgesetze beschlossen. Und so kam es, dass die Bauern, deren Felder nachweislich durch Pollenflug von Nachbarn mit Monsanto-Pflanzen verseucht wurden, statt Schadenersatz eine Klage ins Haus bekamen. Denn nunmehr verletzten sie ja – außer sie rissen jede Pflanze einzeln aus - Monsantos Patente. Wenn sie überleben und nicht vernichtet werden wollten, mussten sie nachgeben - nur mehr Monsanto-Samen und das dazugehörige (Monsanto-)Unkrautvertilgungsmittel kaufen sowie vertraglich zustimmen, kein eigenes Saatgut mehr zu verwenden und sich nicht öffentlich über Monsantos Terror zu beschweren. Ein System von hauptberuflichen Monsanto-Spitzeln („Gen-Polizei“ sagten die Bauern) wurde ergänzt durch Gratis-Telefonnummern, auf denen die Bauern ihre Nachbarn denunzieren konnten, wenn sie auf deren Feldern Monsanto-Pflanzen vermuteten. Zur Belohnung bekamen sie eine Lederweste.

Heute haben Monsantos genmodifizierte Sorten die kanadische Landwirtschaft derart durchsetzt, berichtet Schmeiser, dass man weder Raps noch Soja mehr biologisch anbauen kann. Die Erträge sind gefallen, und entgegen den Versprechungen braucht man mehr Chemikalien als früher. Aber auch dafür hat Monsanto die Lösung: Ein neues Supergift. Es ist weitgehend identisch mit dem alten Agent Orange – womit sich der Kreis schließt.

Percy und Loise Schmeiser waren die einzigen, der sich gegen die Höllenfahrt der kanadischen Landwirtschaft zur Wehr setzten. Sie wussten, dass das gemütliche Leben damit zu Ende war. Telefonterror, Observierung durch Unbekannte, die bis an die Hoftür vordrangen, und ein jahrelanger Millionenprozess richteten sie gesundheitlich und finanziell fast zugrunde. Aber sie möchten die ihnen verbleibende Zeit noch voll nutzen, um andere Länder zu warnen. Kanada ist zwar jetzt voll wach, Umweltverbände und Kirchen sind jetzt derart dahinter, dass auch der käuflichste Politiker seit Jahren kein neue Anbaugenehmigung mehr zu erteilen wagt. Aber bei Raps und Soja nützt das nichts mehr. Da das ganze Land mit Gensorten kontaminiert ist, ist es zu spät.

2004 bekräftigte der Oberste Gerichtshof Kanadas in einem seltsamen Urteil Monsantos Patentrechte, obwohl der Konzern selbst zugab, dass die Samen durch Windverwehungen auf Schmeisers Felder gekommen waren. Zwei Millionen Dollar Gerichtskosten musste Monsanto allerdings selbst zahlen – die Schmeisers kostete der Spass „nur“ $ 400.000,- für ihre eigenen Rechtsanwälte. Ihre Samenzucht mussten sie aufgeben. Da Monsanto ihre Felder noch ein zweitesmal verseucht hat, haben Schmeisers nun eine Gegenklage eingereicht. Die Verhandlung, für Jänner 2008 angesetzt, wurde vertagt.

Die Zuhörer im Saal in Leonding sind gebannt, es gibt stehenden Applaus, die Atmosphäre ist geladen. Die meisten Landwirte dürften schon lange verstehen, dass die Gentechnik statt Ertragssteigerungen Einbußen und Abhängigkeit bringen kann. Sie sind empört über Monsanto, aber auch über die EU und die österreichischen Politiker. Die haben immerhin für offiziell „gentechnikfreie“ Produkte eine gentechnische Kontamination von 0,9% statt bisher 0,1% bewilligt. Und ihre Pläne zur oberösterreichischen Gentechnikfreiheit angeblich so zögerlich vorgebracht, dass die EU sie leicht abschmettern konnte – während sich Polen, Griechenland und italienische Regionen um die EU-Vorschriften gar nicht kümmern und bestimmte Gentechnikverbote einfach beschließen. Auch die Grünen bekommen ihr Fett ab, der grüne Pirklhuber wird niedergeredet und hat keine Chance, sich zu rechtfertigen. Einzelne Attacken gehen auch an die Adresse der Ko-Veranstalter - an die „Bio-Austria“ wegen der 0,9% und an die „Faire Milch“ wegen einer auf die Leinwand projizierten Reklamekuh, die offensichtlich enthornt und somit gequält wurde. Aber alle sind sich einig in der Ablehnung der Gentechnik.

Möglicherweise ist hier insgesamt etwas Neues im Kommen, ein Aufbruch wie bei Zwentendorf, diesmal eher von der bäuerlichen Bevölkerung getragen als von den Städtern.


 
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